Nur kleine Geister halten Ordnung, das Genie überblickt das Chaos.
So ähnlich könnte man den ersten Eindruck inmitten der vielen Geräte beschreiben, umgeben von Kabeln in jeder Couleur. Wenn man aber einen genaueren Blick auf die sich darbietende Szenerie wirft, und dabei den leidenschaftlichen Ausführungen von Maurizio Blanco lauscht, wird einem schnell klar, daß hier mehr als nur System dahinter steckt. Jedes noch so kleine Detail ist minutiös geplant und ausgeführt und alle Geräte lassen sich in Sekunden mit jedem weiteren Klangerzeuger oder Effektgerät verknüpfen und steuern. Ein Spielplatz für Klangentdecker und Anhänger des haptischen Musizierens.
Es ist einfach ein gravierender Unterschied, ob man nur mit der Maus in der Hand vor einem Bildschirm sitzt und versucht, Emotionen "malend" in Musik zu verwandeln oder ob man den die Regler eines Moog Synthesizers zwischen den Fingerspitzen spürt und sich beim Drehen der Steilheitsgrad der Unterarmhaare equivalent zum Sound anpasst. Die Symbiose zwischen Mensch und Maschine wird zu einem regen Austausch, einer Master-and-Servant Beziehung, bei dem die Rollen ständig getauscht werden. Auf jede Aktion folgt eine Reaktion und die Grenzen zwischen Ursache und Wirkung verschieben sich selbst von Sekunde zu Sekunde. Versucht man vergeblich der Maschine Einhalt zu gebieten, fordert sie einen sofort erneut zur Grenzüberschreitung auf. Es scheint als hätte jedes Gerät eine Art Aufmerksamkeitsdefizit und will sich in den Vordergrund spielen, bis alles in einem gewaltigen Crescendo gipfelt und man erschöpft zu Boden sinkt und hofft ... daß man "Record" gedruckt hat.
Es ist alles nur eine Armlänge entfernt. Lange Wege würden das Spiel erschweren und so manchem Instrument ein einsames Dasein auf dem Regal bescheren, ungenutzt, wenn auch nicht ungeliebt. "Es bleibt nur, was ich auch wirklich nutze" rechtfertigt Maurizio seinen offensichtlichen Hang zum GAS (dem "Gear Acquiring Syndrome", der Sucht nach immer neuem Spielzeug, nach neuen Klangerzeugern oder Klangverfremdern). Manche Geräte werden bereits seit den späten 80er Jahren nicht mehr hergestellt. Nichtsdestotrotz klingen sie wie in den ersten Tagen als junger Mensch, als man seinen Idolen noch mühsam folgen musste und es keinen leichten Zugang zu Informationen über Studiotechnik, Handhabung oder sonstig heute allgegenwärtige Tutorials gab. Man musste sich schon wochen- oder monatelang mit den Geräten beschäftigen, ihre Eigenheiten (lieben) lernen und sich deren Charakter zu Nutze machen.
Es bleibt nur, was ich wirklich nutze.
Die digitale Welt drängelt sich trotz all der analogen Technik immer mal wieder in den Vordergrund und schreitet mit stolz geschwellter Brust durch den Raum, die ganze Bandbreite der Funktionsvielfalt als Lebenslauf vor sich her tragend. Dennoch sind es am Ende immer die simplen Dinge, die kleinen Nuancen, das letzte Quäntchen Glück, das zum Ziel führt. Jeden Aspekt regeln zu können, behindert oft die Kreativität. Der Drang der Hersteller, dem Tüftler im Studio jeden Wunsch zu erfüllen, endet hier und da in einem Wechsel zu einer einfacheren Apparatur, einer unkomplizierteren Bedienung und einer Reduzierung des Denkens bei gleichzeitiger Steigerung des Fühlens. Es ist als würde die Fender versuchen, seine berühmte Stratocaster Gitarre mit Drehreglern und Schaltern sowie weiteren Saiten oder anderen Gimmicks auszustatten. Dabei ist alles was man benötigt lediglich etwas Fingerspitzengefühl und eine ordentliche Portion Rock'n'Roll, um Geschichte zu schreiben.
Während sich die Membran der Lautsprecher von ihren Strapazen erholt und die Tasten wieder in ihrer Ausgangsposition verharren, vernimmt man ein stetiges, leises Brummen und Rauschen. "Das ist normal, bei analogen Kisten" höre ich als Erklärung, als ich mit einem skeptischen Gesicht mein Ohr an einen der Lautsprecher halte. Offensichtlich ist hier die Physik ein heimlicher Mitspieler, welcher nicht wirklich still und heimlich Gebietsansprüche im Frequenzbereich geltend machen will. "Egal. Voll aufdrehen, dann hört man es nicht mehr!" Ich zucke mit den Schultern und nicke bestätigend.
"Musik aus Strom" halt.